AK-7

AK-7

Zusammenfassung

Im Rahmen des AK-7-Projektes wurden die physikalischen Abläufe während eines Windenstarts mit Hilfe eines theoretischen Modells abgebildet. Dieses Modell wurde dann durch eine rechnergestützte Nachrechnung verifiziert und weiter an die Realität angepasst. Grundlage für diese Nachrechnung waren Messdaten aus realen, vermessenen Windenstarts. Als Ergebnis konnte neben dem Modell weitere Erkenntnisse zu den Vorgängen bei Windenstarts sowie ein Messverfahren zur Vermessung von Windenstarts präsentiert werden.

Motivation und Zielsetzung

Ausgangspunkt für das Projekt war der Wunsch, Windenstarts automatisiert und möglichst optimal ablaufen zu lassen, um die erzielbare Höhe für den Start möglichst zu vergrößern und vor allem die Streuung bei den Starthöhen, die im alltäglichen Schleppbetrieb oft vorkommt, zu verringern.

Allerdings wurde sehr schnell klar, dass dazu noch nicht genug über die physikalischen Abläufe während des Windenstarts bekannt war. Das Ziel des AK-7-Projektes war es daher, die relevanten Einflussgrößen und Zusammenhänge beim Start eines Segelflugzeuges an der Winde zu ermitteln.

Mit den gewonnenen Erkenntnissen sollte es möglich werden, allgemeine Regeln zu erstellen, die nicht nur für die Automatisierung und Optimierung sondern auch für die Verbesserung der Sicherheit der Windenstarts sowie für die Auslegung und den Bau einer Segelflugzeug-Startwinde genutzt werden sollten.

Erstellung des theoretischen Modells für den Windenstart

Zunächst wurde ein theoretisches Modell erstellt und als Rechenverfahren auf einem PC implementiert. Das Modell resultiert aus der Betrachtung der wichtigsten am Flugzeug auftretenden Kräfte, nämlich seinem Gewicht, seinem Auftrieb und Widerstand, sowie der Seilkraft.


Vereinfachtes Kräftegleichgewicht am Flugzeug beim Windenstart

Im Verlauf des Projektes wurden schrittweise weitere Einflussgrößen in der theoretischen Betrachtung berücksichtigt und das Modell damit kontinuierlich verfeinert.

Blockschaltbild des theoretischen Modells

Entwicklung eines Messverfahrens

Um zu klären, mit welcher Genauigkeit das theoretische Modell trotz der gemachten Vereinfachungen die Wirklichkeit beschreibt, mussten der Verlauf der Flugbahn des startenden Segelflugzeuges und die maximale Starthöhe von realen Startvorgängen gemessen werden. Zeitgleich musste alle Größen, die als Eingangswerte für die spätere Nachrechnung dienten, wie z.B. der Verlauf der Seilkraft und die eingezogenen Seillänge, aufgezeichnet werden.

Zur Vermessung der Flugbahn wurden zwei, elektronisch gesteuerte und motorbetriebene Kameras eingesetzt. Während der Starts machten die Kameras von festgelegten Standpunkten längs und quer zur Flugbahn kontinuierliche Serien von Fotos, auf denen die Positionen des startenden Flugzeuges in regelmäßigen Zeitabständen festgehalten wurden. Anschließend wurde die Flugbahn unter Verwendung eines fotogrammetrischen Verfahrens aus den Serien-Fotos bestimmt.

Bezeichnungen und Größen bei der Fotovermessung

Parallel zur Vermessung der Flugbahn wurde der Verlauf des Drehmoments im Antriebsstrang der Winde, die Trommeldrehzahl und die Stellung der Azimutrollen, die sich am Einlaufpunkt des Seiles in die Winde befinden, aufgezeichnet. Dabei wurde auf die Drehmomentenwelle und die Drehzahlanzeige der Seiltrommeln (auch als „Omega-Visualisator“ bezeichnet) zurückgegriffen, die bereits in der Akaflieg-Winde AFK-3 verbaut waren.

Für die Erfassung und Speicherung der Messwerte wurde ein für das Projekt entwickeltes, elektronisches Messinterface und ein ATARI-PC mit einer selbst erstellten Software eingesetzt. Der benötigte Verlauf der Seilkraft wurde dann im Rahmen der Nachrechnung aus dem gemessenen Verlauf des Drehmoments errechnet. Um die beiden Kameras und die Aufzeichnung der Messdaten in der Winde zum gleichen Zeitpunkt zu starten, wurden die Kameras und die Messeinrichtung in der Winde über ein Funksignal elektronisch synchronisiert

Vermessung realer Windenstarts

Von 1988 bis 1994 wurden mit dem oben dargestellten Messverfahren zahlreiche Windenstarts am Flugplatz Karlsruhe-Forchheim, „EDTK“ (heute Gelände der Messe Karlsruhe) durchgeführt.

Foto eines Starts, aufgenommen quer zur Flugbahn (Flugzeug im Kreis), Einzelbild aus einer Foto-Serie
Beispiel für einen gemessenen Verlauf der Flugbahn in X-Z Richtung (Höhe über Startstrecke) eines Windenstarts nach Auswertung der entsprechenden Foto-Serie

Die an der Winde gemessenen Werte für das Drehmoment, die eingezogene Seillänge und die Position der Azimutrollen dienten zusammen mit anderen Parametern (wie z.B. den aerodynamischen Daten des Flugzeuges und des Seiles) als Eingangswerte für die Nachrechnung.

Nachrechnung zur Verifizierung bzw. Anpassung des theoretischen Modells

Für mehrere, gemessene Starts wurde eine Nachrechnung durchgeführt, bei der aus den oben genannten Eingangswerten der Verlauf der Flugbahn und die dazugehörige, maximale Starthöhe berechnet wurde. Um die Genauigkeit des Modells im Vergleich zur Realität zu beurteilen, wurden die berechnete Flugbahn und Starthöhe dann dem gemessenen Verlauf der Flugbahn und der gemessenen Starthöhe des gleichen Starts gegenübergestellt. Damit sollte sichergestellt werden, dass alle wesentlichen Einflüsse und Vorgänge beim Windenstart vom theoretischen Modell erfaßt und korrekt abgebildet wurden.

Die Nachrechnung wurde dabei in drei Phasen durchgeführt:

  • Beschleunigung des Flugzeuges vom Beginn des Starts bis zum Abheben
  • Anfängliche Steigphase bis zum völligen Abheben des Seiles vom Boden
  • Rest der Steigphase bis zum Ausklinken des Seiles

Der Kern der Nachrechnung war ein iteratives Rechenverfahren, das in festgelegten Zeitintervallen (üblicherweise von 0,1s ) vom Beginn des Starts bis zu Ausklinken des Seils eine Energiebilanz für das System von Flugzeug und Seil berechnete und mit dem von der Winde in diesem Intervall verrichteten Arbeit verglich.

So konnte die von der Winde aufgebrachte Energie in Beziehung zur Nutzenergie am Flugzeug (kinetische und potentielle Energie) und Verlustenergie (z.B. durch Reibung) gebracht werden.

Energiebilanz eines typischen Windenstarts

Ergebnisse

Die Nachrechnungen haben ergeben, dass die berechneten maximalen Starthöhen mit guter Genauigkeit mit den gemessenen Starthöhen übereinstimmten. Die Genauigkeit der Nachrechnung (und damit die des zugrunde liegenden theoretischen Modells) lag knapp unter 8%, bezogen auf die gemessene Nutzenergie „Höhe über Start“. Der Ablauf des Windenstarts konnte somit durch das entwickelte theoretische Modell mit ausreichender Genauigkeit abgebildet werden.

Durch die Nachrechnung konnte u.a. auch gezeigt werden, dass die Flugbahn des startenden Segelflugzeugs im Wesentlichen dem Verlauf einer Kosinusfunktion entspricht, wenn sie quer zur Flugrichtung betrachtet wird.

Als interessantes Nebenergebnis der Nachrechnung ergab sich, dass der Auftriebsbeiwert (cA-Wert) des Flugzeuges nie größer als 1,02 war. Das bedeutet, dass es also trotz voll gezogenem Höhenleitwerk nie möglich war, den maximalen cA-Wert von etwa 1,33 und damit die kritische Grenze zum Strömungsabriss zu erreichen.

Projektteam

Das Projekt AK-7 war eine Gemeinschaftsleistung, bei der zahlreiche Akaflieger mitgewirkt haben. Die meisten davon allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum, um spezifische Teilaufgaben zu bewältigen. So z.B. bei der Entwicklung des Messinterfaces durch Franz Haas oder bei den Messkampagnen auf dem Flugplatz. Vorangetrieben und geführt wurde das Projekt von Tobias Hoffstetter und Gerhard Arnold Seiler, der das Modell maßgeblich entwickelt hat und die Nachrechnung durchführte.